Ulrich Besel, wie wird sich Softwaretesten durch KI verändern?

Ulrich leitet Quality Engineering Services (QES) mit 500 Experten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. QES ist Teil von Accenture Technology.

Unsere Vision für die QE-Funktion positioniert Qualitätsingenieurinnen als Katalysatoren für Geschwindigkeit, Agilität und Performance bei maximaler Produktivität. Die Rolle der Qualitätsingenieurinnen wird dadurch spannender, aber auch viel komplexer. Daher bietet unsere Praxis einen ganzheitlichen und sehr vielfältigen Dienstleistungskatalog, der KI-gesteuerte Automatisierung, spezifische SAP QE-Lösungen, SDET, Qualitätstransformation, Testen in der Cloud, Testdatenmanagement und vieles mehr umfasst.

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Application & Software Testing Services | Accenture

Wo stehen wir heute beim Testen mit KI?

Beim Testen mit Unterstützung von KI ist Accenture ein early Adopter. Wir haben bereits seit 2017 die Touchless Testing Platform, eine automatisierte und analytikgesteuerte Software-Testplattform, bei vielen Kunden im Einsatz und nutzen deren Funktionen, um den Testprozess zu automatisieren und zu optimieren. Auch viele andere Tools, die wir tagtäglich vor allem im Bereich der Testautomatisierung verwenden, nutzen im Hintergrund künstliche Intelligenz.

Allerdings sind das Potenzial und die Möglichkeiten enorm, die sich durch das Aufkommen generativer KI, insbesondere sogenannter Large Language Models, eröffnen. Wir haben bereits begonnen, erste greifbare Anwendungsfälle zu testen und wollen diese so bald wie möglich bei unseren Kunden zum Einsatz bringen.

Wie wird KI Softwaretesten in den kommenden fünf Jahren verändern?

Angesichts der rasanten Geschwindigkeit, mit der Innovationen im KI-Sektor stattfinden, sind fünf Jahre eine lange Zeitspanne. Derzeit investieren fast alle Technologieunternehmen Milliarden in dieses Thema, was die Innovationsgeschwindigkeit weiter beschleunigt. Auch Accenture wird in den kommenden Jahren 3 Milliarden Dollar alleine in GenAI investieren, da wir überzeugt sind, dass sich ganze Wertschöpfungsketten bei unseren Kunden verändern werden. Ein Bereich mit sehr großem Potenzial ist natürlich der gesamte Software-Entwicklungsprozess. Von der Anforderung über die Entwicklung und das Testen bis hin zur Fehlerbehebung wird in fünf Jahren vieles fundamental anders ablaufen als heute. Large Language Models können heute schon für fast alle Technologien in wenigen Sekunden aus Anforderungen Code generieren – inklusive Unit Tests. Automatisierte oder manuelle Testfälle können von KI geschrieben und im Fehlerfall analysiert werden – inklusive Vorschlägen zur Behebung. Im Moment sind das noch isolierte Lösungen mit enormem Potential, aber wenn wir diese verbinden und die bereits erprobten Lösungen integrieren, entsteht ein ganz neuer Kontinent der Softwareentwicklung. Ich glaube, solche integrierten Lösungen werden eher früher als später als Cloudservice verfügbar sein, und ich denke nicht, dass es fünf Jahre dauern wird, bis es soweit ist.

Welche Skills benötigen Testerinnen und Tester dafür?

Wie bei allen neuen Technologien, die vor 10 Jahren noch „neu“ waren und heute Standard sind, müssen Testerinnen lernen, mit dieser neuen Technologie zu arbeiten. Obwohl wir hier von einer disruptiven Technologie sprechen, sind die notwendigen Fähigkeiten dieselben wie immer: Neugier und Lernbereitschaft, um die Technologie zu beherrschen und zu verstehen, wie sie unser Leben erleichtern und die Qualität von Software verbessern kann. Im konkreten Fall vom Arbeiten mit GenAI müssen Testerinnen verstehen, wie sie durch geeignete Prompts das Potenzial der verwendeten Modelle optimal nutzen können – das sogenannte „Prompt Engineering“.

Wird es die Rolle des Testens in 10 Jahren noch geben?

Mehr denn je! Tester*innen bzw. Quality Engineers wird es immer geben. Was sich ändert, sind die Werkzeuge, die wir verwenden. Vor 10 Jahren haben wir uns durch manuelle Testfälle geklickt, dann haben wir automatisiert – zuerst isoliert, dann als Teil einer integrierten Pipeline. Qualität wird auch in diesen integrierten KI-Lösungen relevant sein, wenn nicht sogar relevanter als zuvor. Diese Lösungen werden nach wie vor Fehler erzeugen und müssen ständig verbessert werden. Es wird auch Vorgaben hinsichtlich der Qualität von KI geben. Weltweit arbeiten Regierungen und Organisationen an entsprechenden Standards. Hier werden wir viele Tester*innen brauchen, die sicherstellen, dass die KI auch das tut, was sie verspricht. Ich denke, die Geschichte der Automatisierung, wie wir sie aus der Industrie kennen, wiederholt sich hier. Von der schweren manuellen Arbeit vor der industriellen Revolution bis zu den vollintegrierten Fabriken, in denen zwar weniger Arbeiter*innen stehen, dafür umso mehr hochqualifizierte Expert*innen, die die Maschinen entwickeln, testen und betreiben, die die Arbeit erledigen. Genau dasselbe passiert jetzt gerade bei der „Produktion von Software“.


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